Weihnachtsfest im Bunker

Der Jahreswechsel wird auf der ganzen Welt laut gefeiert – mit Feuerwerk, Glockengeläut, Gesang und Musik.

In der Ukraine steht Feuerwerk seit 2022 unter Verbot, da es ständig Explosionen gibt, die gar kein Spaß machen, sondern Tod und Zerstörungen mit sich bringen. Fast jede Nacht gibt es Luftalarm und man muss sich im Keller sich verstecken, um Lebensgefahr zu vermeiden. Aber feiern muss man auch. Besonders Kinder warten auf die Weihnachts- und Neujahrfestlichkeiten. Trotz stressvollen Lebens im Krieg gibt es immer noch Hoffnung auf Weihnachtswunder.

Traditionell organisiert der Martin-Klub Feierlichkeiten für Kinder und Teenager zu Weihnachten und Neujahr. Auch dieses Jahr sind Mrs Santa und die Elfen gekommen, um Freude und Geschenke zu verteilen. Es gab Trommeln, lustige Spiele und viel Kinderlachen.

Seit mehreren Jahren verkleidet sich Anna Karpechenkove, die Leiterin einer Partner-NGO und die Gründerin eines Netzwerks für Frauen- und Kinderrechtsschutz als Mrs Santa. Zusammen mit dem Martin-Klub Team besuchen sie mit Geschenken Familien, die früher Leistungen der NGO bekommen haben und laden zum gemeinsamen Feiern ein.   

Trotz des Kriegsausbruchs wurde entschieden diese Tradition nicht aufzugeben. Sie besteht seit 25 Jahren und es ist wichtig, weiter ein Stück Freiheit zu genießen. Der Unterschied ist nun aber, dass jetzt im Bunker gefeiert werden muss. Zum Glück benutzt der Martin-Klub für die Arbeit mit Kindern einen passenden Keller und man braucht nicht etwas extra zu suchen und zu mieten.

Sicherheit ist die Bedingung Nummer 1 zurzeit. Ähnlich wie Schulen oder Kindertagesstätten müssen auch NGOs, die mit den Kindergruppen arbeiten, die Sicherheit dieser garantieren.

Manchmal ist Aufenthalt im Kinderunterricht sicherer, als zu Hause. Der Bunker ist groß genug, um Bewegungsspiele oder Musikunterricht zu organisieren.

Diese Möglichkeit nutzt der Musikpädagoge Oleg. Seine Stelle wird durch Julenka e.V. finanziert. Es ist die Fortsetzung der musikalischen pädagogischen Arbeit, die vor 14 Jahren ehrenamtlich durch Julenka-Gründerin Hanna Höwekamp im Martin-Klub gestartet ist. Es ist viel wert, dass diese Tradition seit dieser Zeit weiterlebt.

Besonders Jugendliche haben sich gefreut an diesem Fest teilzunehmen. Für sie ist es besonders wichtig die Zeit in gleichaltriger Gesellschaft zu verbringen, zu jubeln und zu musizieren, wie Anna Karpechenkova berichtet.

Die Weihnachtsgeschenke für die Kinder hat die Firma Erbis finanziert. Sie hat das schon in den vergangenen Jahren gemacht.

In der Firma arbeitete der Ehemann von Anna Karpechenkova, Anton. Leider ist Anton im September im Krieg gefallen, aber seine Kollegen wollen die Arbeit weiter unterstützen.

Zum Schluss ein Dankesgruß vom Martin-Klub:

Licht und Wärme in dunklen Zeiten

Freitag, der 13. Dezember war ein sehr angespannter Tag in der Ukraine. Von früh bis spät gab es Luftalarm. Die Ziele des russischen Angriffs waren wieder einmal die Energieinfrastruktur des Landes. 93 Raketen und 200 Dronen wurden abgefeuert, darunter – nach Angaben der ukrainische Armeeregierung – auch die Hyperschall-Luftbodenrakete „Kinjal“ und mindestens eine nordkoreanische Rakete.

Abbildung: Karte vom Angriff am 13.12.2024
Abbildung: Karte von den Angriffen am 13.12.2024.

„Dank den F-16-Flugzeugen konnten wir 81 Raketen abfangen,“ – sagte später der ukrainische Präsident Selenskij.

Kurz vor Weihnachten, der frostigsten Zeit in der Ukraine, wollte die russische Armee damit die Hilfsinfrastruktur der Atomkraftwerke in der Westukraine vernichten, um dem ganzen Land massive Probleme bei der Strom- und Wasserversorgung zu bereiten. 5 von 9 Kraftwerken mussten infolge des Angriffs ihre Kapazität reduzieren.

Victoria Fedotova, Leiterin des Martin-Klubs, erzählte uns am Abend, dass das Team trotz Stress und Luftalarm an diesem Tag viele Pläne umgesetzt habe:

„Sweta und Olga (Sozialarbeiterinnen Martin-Klubs) hatten vor den Kindern, die unser Auffangstation in Rukavitschka verlassen haben und jetzt mit ihren Familien in eigenen Häusern wohnen, Geschenke vorbeizubringen. Auch wollten sie mit den Kindern, die im Moment in Rukavitschka wohnen, Stollen backen. Und wie es der Zufall wollte, plante die Natur, dass der erste Schnee fallen würde. Trotz aller Angriffe wurden Kinder beschenkt und Stollen wurden gebacken! Wir haben es kaum geschafft bevor der Strom ausfiel!“

Seit mehreren Monaten müssen Menschen in der Ukraine mit solchen Einschränkungen leben. Ohne Strom, ohne Ruhe und Schlaf in der Nacht. Man ist müde und verzweifelt, aber sogar in dieser Atmosphäre gibt es Zeit für Weihnachtswunder und warme Traditionen.

Gschichten aus „Pink Panama“

Für das „Pink Panama“-Projekt (Unterricht und aktive Beschäftigung mit Kindern) wurde 2024 mit dem United Nations Population Fund (UNFPA) ein neuer Sponsor gefunden. Wie gut, dass das Projekt mit unserer Hilfe ein paar Monate zwischenfinanziert und die pädagogischen Kräfte gehalten werden konnten! Das Projekt läuft sehr erfolgreich, wie einige der Geschichten zeigen.

Mishas Geschichte bei „Pink Panama“

Der kleine Mischa kam mit seiner Familie aus Kramatorskn nach Dnipro. Er mussten seine Heimatstadt wegen des Krieges und der ständigen Explosionen verlassen. Der Junge hatte große Angst vor dem Krieg, den Sirenen und Explosionen. In der neuen Stadt und in der neuen Umgebung fühlte er sich verwirrt und ängstlich. In den ersten Tagen im „Pink Panama“ versuchte er ständig, Aufmerksamkeit zu erregen, provozierte andere Kinder zu Konflikten und hörte nicht auf die Sozialpädagogen.

Aber das Team von „Pink Panama“ wusste, wie man kleinen Kindern ein Gefühl der Sicherheit vermittelt. In den ersten Wochen erklärten sie Mischa und den anderen Kindern geduldig die Regeln: gegenseitiger Respekt und ruhige Kommunikation. Im Unterricht für emotionale Entwicklung lernten die Kinder ihre Gefühle zu verstehen und über sie zu sprechen.

Zwei Monate sind vorbei. Misha ist ein völlig anderer Junge geworden. Er hat begonnen Erwachsene zu respektieren und auf ihre Worte zu reagieren. Jetzt weiß er, dass es Regeln gibt, an die er sich halten muss, und das macht ihn ruhiger und selbstbewusster. Mischa neigt weniger dazu, andere zu provozieren, und teilt stattdessen bereitwillig seine Spielsachen und Leckereien.

Misha ist jetzt viel ruhiger, weniger ängstlich, und seine Aggression hat deutlich abgenommen. „Pink Panama“ hat ihm geholfen, neue Freunde zu finden, sich sicher zu fühlen und zu verstehen, dass er auch in der neuen Umgebung nicht allein ist, und zu lernen, wie man gesunde Beziehungen zu Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund und unterschiedlichen Erfahrungen aufbaut. Dieser Ort ist für Misha zu einem kleinen Zuhause geworden, in dem er geschätzt und respektiert wird.

Die Geschichte vom kleinen Artem

Artem ist jetzt fünf Jahre alt. Er wurde früher als andere Kinder geboren, so klein, dass er in die Handfläche seines Vaters passte. Die Ärzte nannten ihn einen „Kämpfer“, weil er sehr stark und mutig war.

Artem wollte unbedingt mit anderen Kindern spielen, aber er fühlte sich oft einsam. Seine Beine konnten ihn nicht so gut halten, wie die anderen Kinder und deshalb wussten manche Kinder und Erwachsene nicht, wie sie mit ihm kommunizieren sollten. Das ärgerte Artem, und er wurde oft wütend darüber.

Die ersten Tage in „Pink Panama“ waren auch nicht einfach. Artem versuchte auf die einzige Art, die er kannte, Aufmerksamkeit zu bekommen – durch Provokationen und Konflikte. Plötzlich schrie er ein anderes Kind an oder schubste es. Das war seine Art zu sagen: „Beachte mich“ oder „Ich will auch mit dir spielen“.

Aber die Lehrer von „Pink Panama“ sind wunderbar. Sie haben Artem geholfen, seine Gefühle zu verstehen. Sie haben sich interessante Spiele ausgedacht, bei denen alle Kinder lernten, sich gegenseitig zu verstehen.

„Die Lehrer behandeln Artem als Individuum“, sagt seine Mutter. – Sie haben keinen Sonderfall aus ihm gemacht, aber sie haben auch seine Bedürfnisse nicht ignoriert. Sie sahen ihn einfach als ein Kind, das wie jeder andere auch Freunde finden und spielen will.

Allmählich begann sich die Situation zu ändern. Andere Kinder, die dem Beispiel der Lehrer folgten, begannen, Artem zu akzeptieren. Sie merkten, dass er ein interessanter Begleiter und Freund sein konnte.

Die größte Überraschung für seine Mutter waren die Veränderungen zu Hause. Eines Abends sagte Artem zu mir: „Mama, ich bin gerade sehr wütend“. Ich war erstaunt, wie er seine Gefühle analysierte, beschrieb und akzeptierte!

Heute besucht Artem weiterhin „Pink Panama“. Er entwickelt sich weiterhin auf seine eigene Art und Weise und braucht manchmal Unterstützung bei bestimmten Bewegungen, aber das hält ihn nicht davon ab, mit anderen zu interagieren und Freundschaften zu schließen. Er hat gelernt, um Hilfe zu bitten, wenn er sie braucht, und sie anderen anzubieten, wenn er sich selbst helfen kann.

Artems Geschichte ist ein Beispiel dafür, wie die richtige Herangehensweise, Geduld und Akzeptanz einem Kind helfen können, sein Potenzial trotz aller Herausforderungen auszuschöpfen. Jedes Kind verdient einen Ort, an dem es so verstanden und akzeptiert wird, wie es ist.

Daschas Geschichte bei „Pink Panama“

Dascha begann im Herbst 2022, als sie 5,5 Jahre alt war, „Pink Panama“ zu besuchen. Ihre Kindheit war nicht einfach: erst die Quarantäne, dann der Krieg. Durch den langen Aufenthalt zu Hause fehlte dem Mädchen die Kommunikation mit Gleichaltrigen und die gewöhnliche kindliche Entwicklung. Dasha demonstrierte Schwierigkeiten in der Kommunikation, was eine natürliche Reaktion auf Stress und mangelnde Sozialisierung ist.

Als Dasha das erste Mal zu „Pink Panama“ kam, hatte sie Schwierigkeiten, sich anzupassen. Sie akzeptierte die Autorität der Erzieher nicht, konnte sich mit anderen Kindern streiten und brach oft die Regeln. Die Erzieherinnen des Zentrums schlugen sogar vor, dass ihre Mutter Tanya eine Auszeit nehmen sollte, damit Dascha sich ausruhen und ihre Einstellung zur neuen Umgebung überdenken konnte. Nach ein paar Wochen kehrte Dascha in das Zentrum zurück – das war der Beginn ihrer positiven Veränderung.

Im Laufe des nächsten Jahres machte Dascha enorme Fortschritte. Dank des sozialen und emotionalen Trainings, der Spielstunden und der ständigen Unterstützung durch ihre Lehrer lernte Dascha ihre Wünsche auf ruhige und klare Weise zu äußern, anstatt zu schreien oder einen Wutanfall zu bekommen. Ein wichtiger Schritt war, dass sie lernte, mit Bedürfnissen von anderen Kindern umzugehen und sie als Freunde und Spielkameraden zu betrachten.

Ihre Mutter Tanya stellt fest, dass das Mädchen dank „Pink Panama“ auch gelernt hat, wie wichtig persönliche Grenzen sind.

Im September 2024 wurde Dascha in die erste Klasse eingeschult. Ihre Lehrerinnen und Lehrer stellten fest, dass sie gut auf das Schulleben vorbereitet war und das Gefühl hatte, dass sie Erfahrung mit der Arbeit in einem Team hatte. Dies bestätigt, dass „Pink Panama“ ihr nicht nur grundlegende Sozialisationsfähigkeiten vermittelt hat, sondern auch Werte, die sie ein Leben lang begleiten werden.

Auch Mutter Tanya nimmt aktiv am Leben von „Pink Panama“ teil. Sie leitet Bastel- und Strickworkshops für die Kinder und hilft ihnen, Feinmotorik und Ausdauer zu entwickeln.

Dascha und ihre Mutter sind ein wichtiger Teil von „Pink Panama“ geworden. Sie beweisen, dass Unterstützung, Geduld und der richtige Ansatz selbst die schwierigsten Situationen verändern können und den Kindern helfen, glücklich, aufgeschlossen und selbstbewusst aufzuwachsen.

Die NGO „Martin-Klub“ ist 25 Jahre alt!

Wir gratulieren unserem Partner zu seinem 25-jährigen Bestehen. Obwohl das ein ganz solides Alter für einen Verein ist, gab es keine Feierlichkeiten. Momentan gibt es zu viele Herausforderungen und Leiden in der Ukraine und das bedeutet, dass der Martin-Klub handeln muss.

Seit einem Vierteljahrhundert hilft der Verein Kindern und Frauen, schwierige Lebensumstände zu überwinden. Der Krieg hat neue Herausforderungen mit sich gebracht, und so unterstützt der Martin-Klub seit 2014 auch die Opfer der Kriege.

Das Ziel ist, den Menschen Möglichkeiten zu geben, besser (oder überhaupt wieder) zu leben, widerstandsfähig zu werden, ihre Rechte zu schützen und selbstbewusst in die Zukunft blicken zu können. Haupt-Schwerpunkt sind Projekte für Kinder.

Hier einige interessante Fakten über Martin-Klub, die einen besseren Überblick über das „Geburtstagskind“ geben:

  • Alter: 25 Jahre
  • Geburtsort: Makejevka, Ostukraine
  • Wohnort:  Dnipro, Ostukraine – seit 2014
  • Leiterin – Viktoriya Fedotova
  • Teammitglieder: Koordiniert vom Martinklub arbeiten 180+ Personen, die in mehreren Städten der Ukraine tätig sind: in Dnipro, Kryvyj Rih, Pavlograd, Kamjanske ..
  • Durchgeführte Projekte: mehr als 60
  • In Projekten Unterstützte: mehr als 20 000
  • Menschen, die seit 10 Jahren aus Kriegsgebieten evakuiert wurden: 16 800

Obwohl heute ganz viel Arbeit in Richtung Kriegsfolgenüberwindung durchgeführt wird, bleiben wie alle Jahre zuvor Kinder und Familien im Mittelpunkt. Julenka e.V. ist stolz, Martin-Klub auf diesem Weg zu unterstützen und wünscht dem Team viel Kraft und Inspiration, um weiter genauso hilfreich, menschlich und munter zu bleiben.