Welche Folgen hat der Staudamm-Bruch?

Mehrere Spender haben sich besorgt nach Auswirkungen des Dammbruchs in Dnipro erkundigt. Rein geographisch liegt der in Kachowka zerstörte Staudamm ca. 200 km Luftlinie entfernt flussabwärts von Dnipro. Vika schrieb, dass sie „technisch noch nichts zu spüren bekommen haben. Aber dort gab es die größten Gemüse- und Weizenfelder – und jetzt ist alles tot. Es wird wahrscheinlich schwierig sein, im Winter Lebensmittel zu kaufen, und nicht nur für uns.“

Wenn diese Produkte doch „nur“ (wie schon die ganze letzte Zeit) noch weiter teurer werden, aber doch hoffentlich kaufbar bleiben.. Eine weitere Herausforderung für unsere Unterstützung..

Wie hilft der Julenka e.V. im Donezker Gebiet?

Seit 2011 unterstützt der Julenka e.V. ein kleines Kinderdorf im Donezker Gebiet (genaueres dürfen wir nicht schreiben, das wäre für die Dortigen zu gefährlich). Im Krieg 2014 sind nahezu alle Kinder und Mütter mit den in den Häusern tätigen Mitarbeitern des Martin-Klubs nach Dnipro geflohen. Eine Mitarbeiterin ist geblieben. Sie hat dafür gesorgt, dass das Hauptanwesen bis heute vor Vandalismus geschützt wurde und so weiterhin für Hilfsleistungen (nun kleinerer Natur) für Bedürftige zur Verfügung steht. Für durchreisende Flüchtlinge war es zu Kriegsbeginn 2022 eine unschätzbare Hilfe. Aktuell bietet das Haus einer schwer kranken Mutter und drei Kindern ein Dach über dem Kopf.

Gelder gingen dorthin seit 2014 nur noch vom Julenka e.V., alle vorherigen Zuflüsse sind weggefallen.

2022 war es eine große Belastung, dass Nachrichten nur noch mit mehrmonatigen Abständen ankamen und wir keine Möglichkeit eines Geldtransfers nach Donezk hatten. Im Dezember endlich fanden wir einen Umweg über Litauen dorthin, mit nie mehr als 400€ auf einmal. Der mehrstündige Weg zur persönliche Übergabe des Geldes ist dann stets schwierig und gefährlich und der Zeitpunkt muss gut überlegt sein.

Im April ist eine Rakete auf der Straße eingeschlagen. Olga schrieb uns: „Eine große Granate ist in unserem Dorf explodiert und hat die Häuser in unserer Straße beschädigt. Zum Glück stand unser Haus am Anfang der Straße und hat am wenigsten abbekommen. Nur zwei Fenster wurden herausgeschlagen, der Schornstein ist gebrochen und die Türen waren leicht beschädigt. Es war sehr gut, dass ich Geld für Kohle beiseite gelegt hatte, und wir haben es genutzt, um schnell die Fenster zu bestellen. Heute sind wir glücklich, die Fenster sind geliefert worden. Wir warten jetzt auf einen Handwerker, der sie einbaut. Dank Ihrer Sorge sind wir wieder gerettet.“

Ende April gab es nach ewigen Zeiten einen ruhigen Tag und wir konnten telefonieren. Olga berichtete von den Auswirkungen der Rakete, dem 8m-Trichter auf der Straße, dass die Fenster eingesetzt sind, der Schornstein repariert und das Dach notdürftig abgedichtet ist. Ihre uns gut bekannte Nachbarin Baba Tanja, die den Kindern früher immer Milch brachte, hat in ihrem eigenen Haus große Zerstörungen. Sie kommt immer mal zum Aufwärmen und wenn sie Wasser braucht, ansonsten hat sie die Einladung, vorübergehend im Kinderdorf zu wohnen, ausgeschlagen, denn sie bewacht lieber ihr Haus und hat nun wieder ein Zimmer irgendwie bewohnbar gemacht.

Rukavitschka – ist wieder für Kinder da!!

Nachdem die Kinder und Mütter aus dem in der Nähe von Dnipro gelegenen kleinen Kinderdorf Rukavitschka (= Fäustling, weil sie hier behütet werden) im April 2022 in den sichereren Westen der Ukraine evakuiert wurden, diente das Anwesen Flüchtlingen für 1-2 Nächte als Zwischenquartier, als Ort zum kurzen Verschnaufen vor dem weiteren Weg. Und Kinder vergaßen alles rundherum und konnten spielen.. Mitarbeiter und Freunde des Martin-Klubs waren Stütze und Hilfe vor Ort.

Im Februar 2023 wurden erstmals wieder Kinder mit ihren Müttern für längere Zeit aufgenommen – und was wir noch nie gehört hatten: in 2 Fällen mit ihren Omas. Auch damit wird der Krieg fühlbarer – Kinder verlieren ihre Mütter..

Vika, die Leiterin des Martin-Klubs schrieb uns dazu:

In diesem Jahr verbrachten 15 Personen den Winter in Rukavitschka. Wie alle anderen in der Ukraine überlebten wir gemeinsam den Stromausfall und dankten einmal mehr Gott und unseren deutschen Partnern Julenka e.V. für den Ofen und die Möglichkeit, das Haus zu heizen. Gemeinsam fürchteten wir um unsere Lieben, kümmerten uns um die Kinder und trauerten um die Toten, tote Mütter und Töchter. Wie alle Ukrainer verstehen wir nicht, wie das sein kann. Am meisten machten wir uns Sorgen darüber, dass Rukavitschka und einige von uns am linken Ufer des Dnipro leben und das Büro und einige von uns am rechten Ufer, und wenn wir nicht mehr in der Lage sind, uns gegenseitig zu erreichen, verlieren wir die Möglichkeit unseren Plan B umzusetzen: die Evakuierung.

Zu Beginn des Winters kamen wir, wie alle anderen zu dieser Zeit, zur Besinnung und gewöhnten uns fast an die Sirenen und Raketenangriffe. Wir hielten das zwar nicht für gesund und normal, aber welche Wahl hatten wir alle? Wir lernten, keine Angst zu haben, um zu überleben, kauften zusätzliche Kerzen, Laternen, Konserven und Decken.

Aber wir haben den Winter überlebt. Und jetzt bereiten wir den Sommerspielplatz vor. Wir werden den Pavillon fliesen und auch wieder das Sommerhaus nutzen. Außerdem planen wir Sport, die Wiedereröffnung der Bäckerei und bieten Hilfskurse an. Denn der Krieg findet während des Lebens unserer Kinder statt, und sie werden keine andere Kindheit haben.

Neuigkeiten aus Rukavitschka

Die Martin-Klub-Mitarbeiterinnen Sweta und Olja haben die soziale Bäckerei wiederbelebt, das die Bewohner des neuen Kinderdorfes backen. Als erste große Backaktion steht das traditionelle ukrainische Osterbrot auf dem Plan.

mehr auf: https://www.facebook.com/CSOmartinclub/posts/pfbid0JNvehaRNq4i87Kz12GKMNt3hDBHMebgWo1veptcGow77UJm63ZJo5162j7PFtUmAl

Einzelporträts: Ilona

Ilonas Leben hat sich in den vergangenen Monaten seit Kriegsausbruch grundlegend verändert:
“Wir saßen zu Kriegsbeginn wegen eines Raketenalarms im Keller und unser autistischer Sohn bekam einen schrecklichen Anfall und konnte sich gar nicht mehr beruhigen – da beschlossen wir, dass wir die Ukraine verlassen werden. Ich muss sagen, trotz großer Ängste und Hürden, Vieles hat sich für uns jetzt zum Guten gewandt. Seit März 2022 leben wir in Deutschland in der Nähe von Osnabrück. Ich bin überrascht, wie viele Menschen uns mit offenen Armen empfangen haben und wieviel Hilfe wir hier von allen Seiten bekommen. Nach den Erfahrungen der ersten Flucht 2014 hätte ich nie damit gerechnet, weil das Einleben mit Flüchtlingsstatus damals in Dnipro sehr schwer war. Vor allem für unseren Sohn Bohdan eröffnen sich nie geahnte Perspektiven, er geht hier sogar zur Schule. Er liebt es sehr und lernt jeden Tag so viel Neues und erhält viele Therapien und Angebote. Ich beginne bald den Integrationskurs und möchte dann in der Altenpflege arbeiten, sobald ich noch besser deutsch spreche. So kann ich dem Sozialsystem etwas zurückgeben. Ich bin Julenka sehr dankbar für die umfassende Unterstützung und vor allem die persönliche Begleitung: bei der Flucht, bei der ganzen deutschen Bürokratie, bei zahlreichen Arztbesuchen… Danke Julenka!”

Ilona ist nicht nur „das“ Gesicht von unserem Julenka-Flyer von 2011, sie hat auch eine bewegte Biografie, die sehr eng mit dem Martin-Klub und Julenka e.V. verbunden ist. Als 16jährige schwangere Vollwaise wurde sie im Kinderdorf bei Donezk aufgenommen. Kurz darauf gründete sie ihre eigene Familie und begann im Martin-Klub als Erzieherin zu arbeiten. Als die Separatisten 2014 weite Teile des Donbass besetzten, floh sie zum ersten Mal. Die mittlerweile vierköpfige Familie musste noch einmal komplett neu anfangen. Maßgeblich half sie in Dnipro, den Martin-Klub wieder aufzubauen und begleitete dort junge mittellose Mütter bei ihren ersten Schritten ins Berufsleben, vor allem in der durch Julenka e.V. finanzierten Backstube. Ihr autistischer Sohn braucht umfassende Unterstützung in Alltag und auch ein Schulbesuch war für ihn in der Ukraine nicht möglich. Ilona und ihr Mann arbeiteten abwechselnd, so dass immer einer bei ihm zu Hause sein konnte. In Deutschland geht ihr Sohn nun erstmalig zur Schule.