Der MARTIN-Klub gratuliert Julenka e.V. zum Zehnjährigen

Güte kennt keine Grenzen – weder zeitliche noch geografische. Das wichtigste, damit sich Ideen des Humanismus im Leben verwirklichen, ist der Wunsch, Menschen zu helfen und Liebe zu den Menschen zu haben. Genau so und nicht anders kann man erklären, warum eines Tages des Jahres 2009 ganz unverhofft Hanna Rühs auf der Schwelle des NGO MARTIN-Klub in einem kleinen ukrainischen Städtchen erschien.

Hanna, damals eine sehr junge Studentin, Freiwillige des Deutsch-Russischen Austauschdienstes, suchte ein Projekt, in dem sie ein halbes Jahr lang mit Kindern im Rahmen ihrer Reise durch Osteuropa arbeiten konnte. Der MARTIN-Klub befand sich damals auf dem Zenit seiner Aktivitäten, bevor er wenige Jahre später mit Kriegsbeginn in der Ostukraine fliehen und fast alles im Donbass zurücklassen musste, was er aufgebaut hatte.

Das „Kinderdorf“, das bereits 2001 zur Heimstätte für Straßenkinder wurde, hatte sich ganz organisch Schritt für Schritt in ein Rehabilitationszentrum für alleinstehende Mütter mit Kindern verwandelt. Das Haus platzte aus den Nähten.

Zum Zeitpunkt von Hannas Eintreffen wohnten dort etliche Jugendliche, die in kritische Lebenssituationen geraten waren. Außerdem lebten dort zwei junge Frauen, für die die Unterkunft bei der NGO zur Alternative zu einer lebenslangen Unterbringung in einem Behindertenheim wurde. Dazu kam eine durch Kinderlähmung stark eingeschränkte Frau, die vom Sozialdienst gerettet wurde, völlig auf sich gestellt allein gelassen zuhause lebend vorgefunden wurde. Und schließlich einige minderjährige Mütter mit ihren Kleinen.

Darüber hinaus schuf diese Organisation ein Netz aus ähnlichen Kinder-NGO zur Wahrung der Menschenrechte. Dazu gehörten etwa zehn vergleichbare Zentren im Donezker und Lugansker Gebiet, zwischen denen es einen ständigen Ideen- und Schützlingsaustausch gab. Zu diesem Zeitpunkt hatte der MARTIN-Klub ein ziemlich großes Kollegium, zu dem von Zeit zu Zeit Volontäre aus der ganzen Welt dazustießen, weil es im Verein viel Arbeit und eine Fülle von Ideen gab, wie man ihn entwickeln und vergrößern könnte.

Und da ist das Jahr 2009. Auf der Schwelle – Hanna. Parallel zu ihr arbeiteten Volontäre aus Mexiko, den Niederlanden. Im Sommer kam für einige Wochen eine Gruppe internationaler Volontäre über den AIESEC. Dieser Sommer ergriff alle tief, sowohl die, die zum Arbeiten angereist waren, diejenigen, denen dadurch geholfen wurde als auch die Mitarbeiter des MARTIN-Klub. So viele schöpferische Ideen, intensive Erinnerungen, bewegende Begegnungen, die alle Spuren für ein ganzes Leben in den Herzen hinterließen! Hanna hielt sich länger als alle anderen im „Kinderdorf“ auf – fast ein Jahr. Als sie abreiste, versprach sie, das „Kinderdorf“ und den MARTIN-Klub nicht zu vergessen, und nach ihrer Abreise erinnerte man sich ihrer täglich vor Ort.

Es verging ein halbes Jahr und wir erhielten eine E-Mail von Hanna mit der Frage: „Würdet Ihr vielleicht meinen Bekannten empfangen? Er heißt Hagen Kriesing, nimmt eine Art Sabbatical  und möchte einige Monate im „Kinderdorf“ verbringen und Euch helfen.“ Hanna kennend, stimmte der MARTIN-Klub mit Freude zu, und war zudem etwas verblüfft. Hagen war kein Student, er arbeitete in einer großen Firma und hatte tatsächlich eine Auszeit genommen, um von der Routine weg zu kommen. Das war ungewöhnlich, aber übertraf all unsere Erwartungen. Ein erwachsener, versierter und sehr energiegeladener Hagen beschränkte sich nicht nur auf das Organisieren der Aktivitäten für die Bewohner des „Kinderdorfes“, er nahm sich auch seiner baulichen Erweiterung an. Auf dem Gelände befand sich ein ziemlich gut erhaltenes Wirtschaftsgebäude, das als Abstellräume genutzt wurde. Hagen hatte die Idee, den Wohnraum für das Projekt zu vergrößern und dort ein weiteres Zimmer einzurichten, damit die Familien (die Mütter mit Kindern) mehr Privatsphäre erhielten. Für den Ausbau wurde Baumaterial und helfende Hände gebraucht. Und so tauchten noch weitere Deutsche im Projekt auf: der Direktor des Donezker Handelszentrums PRAKTIKER Sven Rath und der Student der Polytechnik Matthias Uhlemann. Das frisch ausgebaute Zimmer wurde von den Bewohnern des „Kinderdorfes“ BERLIN getauft wurde.

Im MARTIN-Klub tauchten immer mehr deutsche Freunde auf. Zusammen mit seiner Mutter Erika Kriesing kam Hagen über den Jahreswechsel 2010/11 noch ein zweites Mal für einige Tage zu uns, um zu helfen. Ein Jahr nachdem Hagen seine Mission vollbracht hatte und abgefahren war, kam Erika wiederum mit ihrer Kollegin Malgorzata Mutzbauer nach Makeevka. So wurden die Beziehungen immer warmherziger und schon fast familiär. Die Kinder im „Kinderdorf“ begannen schon auf neue Besuche ihrer deutschen Freunde zu warten, und sie wiederum, die miteinander bekannt wurden, dachten darüber nach, wie man über die Entfernung dem sozialen Projekt weiter helfen konnte. Dem Weg der Freundschaft stellten sich die Hindernisse entgegen – die Entfernung und fehlendes Zeitvolumen, das man in der Ukraine verbringen könnte. Matthias beendete sein Austauschjahr in Donezk und fand Arbeit ins Deutschland, Hanna begann zu arbeiten und heiratete, Hagen kehrte in seinen Job zurück. Aber wie bereits am Anfang gesagt wurde, dem echten Wunsch, helfen zu wollen und Nächstenliebe zu leben, kann durch nichts aufgehalten werden. Unsere „Ocean’s Eleven Freunde“ gründeten einen gemeinnützigen Verein, um so auch aus der Ferne am Leben des MARTIN-Klub teil zu nehmen. JULENKA war geboren. Diesen Namen übernahm der Verein von einem rothaarigen sommersprossigen Mädchen, das im „Kinderdorf“ mit tausenden ungelösten Problemen lebte, die aber von allen unheimlich gemocht wurde wegen ihrer kindlichen Unbekümmerheit, Direktheit und ihrer ansteckenden Lebenslust. Heute, nebenbei bemerkt, ist Julia selbst schon Mama. Ihr Kleiner ist 6 Jahre. Sie ist verheiratet und ihr Leben ist in Ordnung.

Der MARTIN-Klub arbeitet jetzt im Dnepropetrovsker Gebiet. Durch den Krieg (2014) musste die Heimat aufgegeben werden, und die Arbeit im Makeevkaer „Kinderdorf“ ging angesichts der politischen Umstände „in den Untergrund“. Aber zum Glück gelang es fast dem gesamten Kollektiv geschlossen nach Dnipro (damals noch Dnepropetrovsk) umzusiedeln. Sie halfen sich gegenseitig beim heimisch werden am neuen Ort, und beschlossen, ihrer Lieblingstätigkeit auch dort wieder nachzugehen. Umso mehr, da ein Teil der Schützlinge – diejenigen, die zu der Zeit im „Kinderdorf“ lebten und keine Probleme mit den Dokumenten hatten – mit dem MARTIN-Klub gemeinsam nach Dnipro flohen.

Heute heißt diese Heimstätte „Rukavitchka“ und liegt in dem Dorf Orlovshina ca. 40 km von Dnipro entfernt. Natürlich wohnen hier jetzt neue Klienten. Aber einige der Bewohner erinnern sich noch an das „Kinderdorf“. Als Zeichen unendlicher Dankbarkeit Euch allen für die Teilhabe an den Schicksalen der Schützlinge von Julenka und dem MARTIN-Klub, möchten wir einige Geschichten der Menschen teilen, deren Leben sehr viel besser ist, dank Eurer Hilfe, Eurer Menschenliebe und der erstaunlichen Fähigkeit, Güte die räumlichen und zeitlichen Entfernungen zu überwinden.

Euer MARTIN-Klub